Ist das alles das Gleiche? Nein! Zwar stammen alle Bezeichnungen ursprünglich aus EINER Quelle, also von einem „Original-Jin Shin Jyutsu“ ab, inhaltlich gibt es jedoch zum Teil gravierende Unterschiede. Gerade für Einsteiger*innen in das Jin Shin Jyutsu ist nicht leicht zu verstehen, was sich wirklich hinter den Begriffen verbirgt.
In diesem Artikel möchte ich dir eine Orientierungshilfe im Begriffsdschungel rund um Jin Shin Jyutsu geben. Ich schildere dir meine persönliche Sicht auf das Thema, die in den letzten 20 Jahren entstanden ist.
Weitere Artikel zu den Themen „Wo kann ich Jin Shin Jyutsu lernen?“, „Wie finde ich eine gute Jin Shin Jyutsu-Behandlung für mich oder mein Tier?“ und „Welche Bücher über Jin Shin Jyutsu sind empfehlenswert?“ sind (bald) auf diesem Blog zu lesen.
Was ist das Original von „Jin Shin Jyutsu“?
Wie der Name vermuten lässt, stammt Jin Shin Jyutsu aus dem asiatischen Raum, genauer gesagt aus Japan. Dort wurde es von Jiro Murai im letzten Jahrhundert „wiederentdeckt“: Der Sohn eines japanischen Arztes heilte sich durch die Anwendung verschiedener Fingerpositionen (siehe Foto) von einer lebensbedrohlichen Krankheit.
Diese Fingerpositionen, auch Mudras genannt, hatte er bei unterschiedlichen Buddha-Statuen entdeckt. Welche Fingerpositionen er genau anwendete, ist nicht überliefert.
Jiro Murai war von seiner Heilung so fasziniert, dass er mehr erfahren wollte und sich fortan damit beschäftigte, diese Kunst immer mehr zu erforschen. Seine Erfahrungen gab er an Mary Burmeister und seinen Sohn, Haruki Kato, weiter. Mary Burmeister brachte Jin Shin Jyutsu in die USA und bildete dort die ersten von ihr autorisierten Lehrer aus, die Jin Shin Jyutsu seither weltweit unterrichten. Die Arbeit von Haruki Kato wird von seinem Sohn, Sadaki Kato, fortgeführt. Weiteres dazu ist hier nachzulesen.
In der Tradition von Mary Burmeister hat das Original von Jin Shin Jyutsu einen noch längeren und komplizierteren Namen: „Jin Shin Jyutsu Physio-Philosophie“. Diese Bezeichnung wird der Komplexität und Tiefe von Jin Shin Jyutsu vollständig gerecht, macht den Zugang zu dieser Kunst allerdings nicht einfacher …
Was ist „Strömen“?
Sich selbst, einen anderen Menschen oder ein Tier zu „strömen“ bedeutet, die Kunst des „Jin Shin Jyutsu“ anzuwenden. Dies geschieht, indem du deine Hände auf bestimmte Stellen des Körpers legst und sie dort eine Weile liegen lässt. Beim Strömen wird der Energiefluss im Körper harmonisiert. Blockaden und Spannungen lösen sich, sodass die Energie wieder ungehindert durch den Körper strömen kann – daher eben „strömen“.
Wenn du dich oder jemand anderen strömst, bist du mit deiner Aufmerksamkeit in dieser Berührung. Dabei übst du keinen Druck aus und musst nichts anderes tun, als die Harmonisierung zu beobachten. Es werden keine Energien bewusst und gezielt geleitet, wie etwa beim Reiki.
Strömen ist eine Kunst, keine Technik oder Methode. Jede Anwendung dieser Kunst ist individuell – es gibt immer mehrere Möglichkeiten, die davon abhängen, was der Mensch oder das Tier jetzt gerade braucht, um in Harmonie zu kommen.
Findet beim Strömen „Heilung“ statt?
Viele Menschen berichten von Beschwerden, die sich beim Strömen oder kurz danach deutlich verbessert haben oder ganz verschwunden sind. Auch bei schwerwiegenden akuten oder chronischen Krankheiten wird ein Zusammenhang mit der Anwendung von Jin Shin Jyutsu hergestellt.
Wissenschaftliche Studien zur Wirkung von Jin Shin Jyutsu gibt es bisher nicht – aus der Sicht einer Wissenschaftlerin kann ich sagen: Vermutlich wird es sie auch nie geben, zumindest nicht in einer Form, die von der Wissenschaft wirklich anerkannt wird.
Jin Shin Jyutsu ist eine Kunst. Jede Anwendung ist vollkommen individuell. Jeder Mensch und jedes Tier ist in keinem Augenblick so wie im nächsten – genauso unterschiedlich verlaufen Krankheiten – und Heilungen. Wie soll es dazu jemals standardisierte Studien geben? Es ist dennoch lohnend, den Verlauf vieler Einzelfälle sorgfältig zu dokumentieren, dazu existieren auch bereits unterschiedliche Ansätze.
Was lässt sich also in Bezug auf „Heilung“ vom Strömen erwarten? Von wenigen Ausnahmen abgesehen fühlen sich Menschen bei und nach dem Strömen „entspannter“, „ausgeglichener“ und „innerlich aufgeräumt“. Sie berichten davon, den Alltag besser bewältigen zu können und gehen mit mehr Leichtigkeit und Freude durchs Leben.
Tiere zeigen während einer Behandlung sehr häufig deutliche Zeichen von Entspannung wie z. B. Gähnen, Kopf senken, Augen schließen. Auch bei Tieren können sich akute oder chronische Beschwerden verbessern – eine Garantie dafür gibt es nicht.
Was ist „Heilung“ aus Sicht von Jin Shin Jyutsu?
Heilung aus Sicht des Jin Shin Jyutsu ist dann erreicht, wenn der Körper frei von Krankheitsursachen ist. Das ist eine Aussage, über die man länger nachdenken kann …
Ich verstehe sie so:
- Das, was der Körper heute zeigt, ist in der Vergangenheit entstanden. Es ist ein Resultat von Erlebnissen und Erfahrungen, die du oder dein Tier früher gemacht haben.
- Die Ursachen von Disharmonien auf jeder Ebene (Körper, Seele, Geist) sind nicht mit den Auswirkungen zu verwechseln. So können z. B. Rückenschmerzen ein Resultat davon sein, sich zu viel aufgeladen zu haben.
- Beim Jin Shin Jyutsu ist „Harmonisierung“ das Ziel – das geht wesentlich tiefer als nur die Auswirkungen (wie z. B. Schmerzen im Körper) zum Verschwinden zu bringen.
Der Begriff „Heilströmen“ kann falsche Erwartungen wecken. Die von Mary Burmeister autorisierten Lehrer*innen verwenden ihn ganz bewusst nicht. Sie weisen immer wieder darauf hin, dass beim „Jin Shin Jyutsu“ nicht von Heilung gesprochen wird und das auch nicht das Ziel ist.
In der Orientierungshilfe für alle Schüler*innen des Jin Shin Jyutsu‚ (2019, S.6f) ist dies eindeutig benannt:
„Es werden keine Begriffe verwendet, die eng mit dem medizinischen Bereich
verbunden sind wie z. B. Therapie u. Diagnose, Heilung, Heilströmen, etc. Jin
Shin Jyutsu beansprucht nicht, zu heilen oder ein Ersatz für eine medizinische
Behandlung zu sein. Die Verwendung solcher Begriffe und Behauptungen
kann juristische Konsequenzen haben. Wir sind davon überzeugt, dass Jin
Shin Jyutsu den Heilungsprozess von Körper, Geist und Seele sehr unterstützt
und eine wertvolle Ergänzung ist, aber keinen Ersatz für konventionelle Heilweisen darstellt.“
Viele Menschen berichten von der Heilung akuter, chronischer und teilweise auch schwerwiegender Krankheiten, die im Verlauf einer einmaligen oder langfristigeren Anwendung von Jin Shin Jyutsu erfolgt sind. Wie ist das zu erklären?
„Healing is just a by-product of harmony“
Dieses Zitat stammt von Adele Leas, einer bekannten Jin Shin Jyutsu-Lehrerin aus den USA. „Heilung ist ein Nebenprodukt von Harmonie“, so könnte man es wörtlich übersetzen. Wenn du in Harmonie bist, dann bist du frei von Krankheitsursachen. Und alle Krankheiten, die du noch hast, können heilen, wenn du in Harmonie bist.
Heilung als alleiniges Ziel verliert damit an Bedeutung – und das finde ich sehr nachvollziehbar. Entscheidend ist, wie du dich in deiner Lebenssituation fühlst, also wie es dir geht. Auch bei noch so schweren Erkrankungen wirst du immer Menschen finden, denen es nach ihrer persönlichen Einschätzung gut geht. Die ein Lächeln auf den Lippen tragen und in sich ruhen. Sie sind in Harmonie. Mit sich, mit ihrem Zustand, mit dem Leben. Dann verliert die Krankheit an Bedeutung. Und es ist nicht mehr entscheidend, wie sie sich entwickelt.
Das ist für mich das große Geschenk von Jin Shin Jyutsu: Mich mit allem, was mir begegnet, in Harmonie zu bringen. Zu wissen, dass ich mir selbst und anderen mit meinen Händen dabei helfen kann, Spannungen und Stress loszulassen, die Harmonie verhindern. In jeder Lebenssituation.
Deswegen wirst du bei mir die Bezeichnungen „Heilkunst“ oder „Heilströmen“ auch nicht finden. Jin Shin Jyutsu ist eine Harmonisierungskunst und keine Heilkunst.
Wie „Heilströmen“ entstanden ist
Ingrid Schlieske veröffentlichte eines der ersten Bücher über das Strömen. Ich beziehe mich im Weiteren auf die erste Ausgabe ihres Buchs „Japanisches Heilströmen“ (13. Auflage aus dem Jahr 2002). Die Autorin weist mehrfach darauf hin, dass ihr Buch für die Anwendung in Form von Selbsthilfe gedacht ist.
Die Autorin erklärt dazu:
„Das Heilströmen, so wie ich es heute anwende, beruht auf den Erfahrungen, die ich mit der Lehre des Jin Shin Jyutsu gemacht habe. Bereichernde Aspekte aus dem Touch for Health, dem Jin Shin Do, dem Reiki, der Akupressur sowie der Fußreflexzonenmassage habe ich mit eingebracht.“ (Schlieske 2002, S.13)
Das „Heilströmen“ nach Ingrid Schlieske ist eine Lehre bzw. eine Heilmethode – und keine Harmonisierungskunst. Im Vergleich zum Original von Jin Shin Jyutsu ist „Heilströmen“ auf das rezeptartige Anwenden von bestimmten Punkten oder Fingerpositionen reduziert worden. Die gesamte Philosophie, die hinter „Jin Shin Jyutsu“ steht, spielt dabei keine Rolle mehr.
Jin Shin Jyutsu ist weit mehr als „Japanisches Heilströmen“
Wer das Original von „Jin Shin Jyutsu“ lernen möchte, besucht die so genannten Fünftageskurse, die offiziell weltweit nur von 21 Lehrer*innen angeboten werden dürfen. In diesen Kursen lernst du, wie du andere Menschen strömst und was du dabei unbedingt beachten solltest. Jin Shin Jyutsu kann sehr tiefgreifend wirken, daher ist es sinnvoll, ein Grundverständnis dieser Kunst zu erwerben, bevor du andere Menschen strömst.
Alle anderen Menschen, die Jin Shin Jyutsu unterrichten, vermitteln dir die Selbsthilfe am Menschen oder das Strömen von Tieren. Selbst das ist komplex genug und kann dir für ein lebenslanges Studium genug sein.
Das, was in den Büchern, die du kaufen kannst, über Jin Shin Jyutsu steht, ist sehr, sehr wenig im Vergleich zu der Tiefe und Komplexität, die in den Fünftageskursen vermittelt wird. (Du bekommst dort auch zwei Bücher (= „Text 1“ und „Text 2“), die es nur in diesen Kursen gibt.)
Wenn es dir genügt, bei Symptom x den Griff y zu halten, dann wirst du mit „Japanischem Heilströmen“ vielleicht zufrieden sein. Ich will nicht behaupten, dass das keine Wirkung hat. Nur fehlt dir dann jede Erklärung dafür, warum das so ist, warum es manchmal nicht so ist, was du alternativ noch tun könntest und und und. Mir fehlen die Worte, es genauer zu erklären. Ich versuche es mal an einem Beispiel:
Die „Mittellinie“ und der „Hauptzentralstrom“
Im „japanischen Heilströmen“ nach Schlieske finden sich für zentral wichtige Begriffe neue Namen: Die „Sicherheitsenergieschlösser“ heißen „Energiepunkte“ – und wurden um zwei weitere ergänzt („20a“ und „22a“). Die „Hauptzentrale Vertikale Harmonisierungsenergie“ nennt Schlieske „Mittellinie“.
„Ja, ist das nicht egal, wie es heißt?“ könntest du jetzt fragen. – „Finde ich nicht“ lautet meine Antwort. „Wenn ich etwas „Mittellinie“ nenne, geht damit sehr viel von der Tiefe und Komplexität verloren. Im Original heißt es nicht umsonst „Hauptzentrale Vertikale Harmonisierungsenergie“, kurz auch „Hauptzentralstrom“. Im Hauptzentralstrom ist ALLES enthalten, alles, was DICH ausmacht und deine Verbindung zu allem um dich herum. Es ist DER Strom überhaupt, nicht nur, weil er entlang der Mittellinie des Körpers geströmt wird.
Der Hauptzentralstrom wird auch „Lebensquelle“ genannt. Du kannst dich dein ganzes Leben lang auf ihn beschränken, weil in ihm alles enthalten ist. Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es in Japan einen Jin Shin Jyutsu-Praktiker, der alle, die zu ihm kommen, nur mit diesem Strom behandelt!
Diese Komplexität und Tiefe, dieses Allumfassende bringt das Wort „Mittellinie“ nicht zum Ausdruck.
Letztlich liegt es in der Verantwortung jedes Menschen, welche Form von „Jin Shin Jyutsu“ er anwendet, lehrt und lernt.
Warum ich die Begriffe „Heilströmen“ oder „Heilkunst“ nicht verwende
Jin Shin Jyutsu ist eine Lebenskunst, eine Harmonisierungskunst, die „Kunst des Schöpfers für den wissenden, mitfühlenden Menschen“. Dieser Ansatz ist allumfassend – und reicht weit darüber hinaus, Gesundheit wiederherzustellen.
„Erkenne dich selbst“, sagt Mary Burmeister. Darum geht es beim Jin Shin Jyutsu, deswegen ist Jin Shin Jyutsu auch weit umfassender als eine Heilkunst es sein könnte. Ich würde es „Heilkunst“ nennen, wenn ein anderes Verständnis von Heilung üblich wäre. Wenn Heilung im Sinne von Jeanne Achterberg gebraucht werden würde:
„Heilung ist das Umarmen dessen, was man am meisten fürchtet;
Heilung ist das Öffnen dessen, was verschlossen war,
das Weichwerden dessen, was zur Blockade verhärtet war.
Heilung besteht darin, zu lernen, dem Leben zu vertrauen.“
Woran du „Jin Shin Jyutsu Physio-Philosophie“ erkennst
Ich gebe zu, dieser Name ist alles andere als eingängig und leicht zu verstehen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Jin Shin Jyutsu-Praktiker*innen ihn nicht verwenden. Den Menschen, die bei mir Hilfe und Rat suchen, ist es vermutlich nicht wichtig, wie ich das nenne, was ich ihnen zeige oder bei ihnen anwende.
Mir ist es wichtig, „Jin Shin Jyutsu Physio-Philosophie“ gelernt zu haben und anzuwenden – und kein „japanisches Heilströmen“. Die Angebote im Bereich des Strömens sind ausgesprochen vielfältig und aus dem Preis für eine Behandlung oder einen Kurs lässt sich nicht ablesen, wie viele Kurse der/die Anbieter*in selbst besucht hat und wie intensiv sie/er sich mit dem Strömen beschäftigt hat.
Wenn du folgende Bezeichnungen liest, kannst du davon ausgehen, „Jin Shin Jyutsu Physio-Philosophie“ zu bekommen:
Jin Shin Jyutsu-Lehrer*in, 5-Tages-Kurs Lehrer*in sind Menschen, die eine intensive Schulung durchlaufen haben und als einzige dazu berechtigt sind, das komplette Material im Jin Shin Jyutsu (=Text 1 und 2) von Mary Burmeister zu unterrichten. Weltweit gibt es aktuell 21 von ihnen.
Autorisierte/n Jin Shin Jyutsu-Selbsthilfe-Lehrer/in sind in der Regel autorisierte Praktiker*innen. Sie haben mindestens einen speziellen Kurs („Living the Art“) besucht, bei dem das Unterrichten von Selbsthilfekursen nach den Selbsthilfebüchern von Mary Burmeister vermittelt wird. Du findest sie in diesem Verzeichnis.
Autorisierte Jin Shin Jyutsu-Praktiker*innen haben an mindestens drei 5-Tages-Kursen teilgenommen. Sie haben „normalerweise ein grundlegendes Verständnis [davon] erworben, dass Jin Shin Jyutsu ein lebenslanges Studium ist, das gerade erst begonnen hat.“ (Orientierungshilfe für Jin Shin Jyutsu-Schülerinnen, und PraktikerInnen 2019, S. 2 ). Wenn du einen solchen Menschen suchst, kannst du hier nachsehen.
Jin Shin Jyutsu ist ein lebenslanges Studium, so empfinde ich es auch. Du hast niemals ausgelernt, wenn du dich mit dieser Kunst beschäftigst. Sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Anwendung gibt es jeden Tag etwas Neues zu entdecken. Und das wird nie aufhören, mich zu faszinieren.
Möchtest du das Original Jin Shin Jyutsu gemeinsam mit mir erleben? Hier findest du meine aktuellen Kurse.
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