Ja, es gibt auch 12. Tage eines Monats, an denen ich zwar grundsätzlich Lust zum Bloggen habe, aber es trotzdem nicht tue. Warum? Am 12.4.22 war ich mit meiner Familie auf dem Weg nach Berlin – bloggen auf dem Autorücksitz? Nee!
Auf der Fahrt entstand die Idee, einen Bilderbogen von Berlin zu verbloggen, der meine ganz persönlichen Eindrücke dieser Stadt zeigt, abseits der üblichen Touristenattraktionen (naja, fast zumindest!)
Als Landei in der Hauptstadt
Hilfe, ist das voll hier! Und laut! Und stinkt!
Ich lebe seit vielen Jahren auf dem Dorf – Rasenmäher, Baulärm und dauerpfeifende Nachbarn sind nicht immer das reinste Vergnügen… Aber ich bin in wenigen Minuten weit davon entfernt und mitten im Wald. Genau so sieht es dort aus, in „meinem“ Wald:
Mit diesen Bildern im Kopf landete ich mitten in Berlin – und hätte es nicht besser treffen können! Wenn ein Stadtteil schon „Friedenau“ heißt, dann bin ich positiv voreingenommen. Und zwar zu Recht!
Wir fanden auf Anhieb einen Parkplatz direkt vor der Tür – schon das hätte ich niemals für möglich gehalten!
80 Stufen bis zur Wohnungstür – hollario!
Umani, mit der ich die Leidenschaft fürs Schreiben und Strömen teile, hatte mir ihre Wohnung anvertraut – obwohl wir uns bisher nur virtuell begegnet waren – großartig! Sie war zu Beginn unseres Berlinaufenthalts gar nicht vor Ort, hatte mich aber in die „Bedienung“ ihrer Wohnung per Video eingewiesen.
In eine unbekannte Wohnung zu gehen, mitten hinein in das private Leben eines Menschen, den man noch nicht persönlich kennengelernt hat, fühlt sich sehr besonders an. Was für eine Wohnung! Liebevoll eingerichtet, mit viel rot (auch meine Lieblingsfarbe!) und vielen Büchern. Eindeutig eine Oase. Wir Glückspilze!
Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte – doch, hierhin. So einen Siphon habe ich noch nie gesehen:
Der Balkon schwebt weit über der Straße – und wird offensichtlich gerne von Tauben besucht, zumindest interpretiere ich die eigenwillige Deko auf dem Balkontisch direkt als Abwehrmaßnahme:
Typisch Berlin eben!
Der Hunger treibt uns hinaus auf die Straße, zu den nächsten Berliner Entdeckungen. Mein Favorit sind ja die mir schon bekannten Mülleimer, die Umani in ihren 12-von-12 auch fotografiert hat. Das könnten andere Städte ruhig übernehmen, finde ich!
Fensterdekorationen sind meist recht gewöhnlich, kitschig oder langweilig. Diese hat es mir besonders angetan:
Da ich gerade beim Thema „Schrift an Häusern“ bin: Unweit unseres Quartiers stieß ich unverhofft auf eine Lichtgestalt der Geographie: Carl Diercke. Millionen von Schüler*innen schleppen seinen Atlas im Schulranzen mit sich herum, auch bei mir hat das Exemplar aus Schulzeiten bis heute überdauert. Hier hat er also gewohnt!
Historische Betrachtungen vom Osten Deutschlands
Berlin weckt viele Erinnerungen in mir, ich war zuletzt 1989 hier, im Juni. Damals gab es die Mauer noch, daher war ich sehr gespannt auf den Ostteil der Stadt. Schon lange wollte ich auf der anderen Seite des Brandenburger Tors stehen und einmal hindurchgehen, einfach so. Ohne sofort als „Westler“ aufzufallen.
Nun war es soweit. Während sich mein Mann und meine Tochter für einen Kaffee in die Schlange stellten, hing ich meinen Gedanken an den Herbst 1989 nach, die ich aus dem Fernsehen kannte: Die Szenen der Grenzöffnung. Die lange Schlange Trabbis vor dem Tor. Die Jubelschreie. Reisefreiheit nach Jahren des Eingesperrtseins.
Ich erinnere mich an Menschen mit auffällig vielen Bananen im Einkaufswagen, gekauft von 100 DM Begrüßungsgeld. Und viele Trabbis auf den Straßen in Göttingen (wo ich damals wohnte). Meinen ersten Ausflug über die offene Grenze, nach Nordhausen. Die Luft schwer von Abgasen aus Braunkohle. Graubraune Fassaden überall. Meine bedrückte Stimmung – so hatten die Menschen hier gelebt?
In meine Gedanken hinein kehren die beiden Kaffeeliebhaber zurück zu meiner Bank. Unsere Tochter hört sich geduldig zum vierten Mal die Geschichten von früher an, die uns noch einfallen. Die Fahrt mit der U-Bahn von Westberlin nach Ostberlin durch die Geisterbahnhöfe. Umsteigen unter den strengen Blicken der Volkspolizisten. Die Erleichterung, wieder zurückfahren zu können, in den bunten Teil von Berlin.
Heute schlendern wir wie Hunderte anderer Touristen immer tiefer hinein in den Osten der Stadt. Auf der Suche nach einem Laden, von dessen Auswahl an Skateboards wir in unserer hessischen Unistadt nur träumen können. Wenn mir das bei meinem Berlinbesuch vor 33 Jahren jemand erzählt hätte, dass ich eines Tages mit meinem Mann und meiner Tochter über diese Straße laufe, einfach so. Ohne Visum, ohne Zwangsumtausch. Hätte ich das geglaubt? Mann und Kind wahrscheinlich schon, aber ein wiedervereintes Deutschland?
Wie erinnern sich Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, an diese Zeit? Mag darüber überhaupt noch jemand nachdenken oder reden?
Wieder in der Gegenwart
Vor allen Sehenswürdigkeiten sind lange Schlangen – oder die verfügbaren Zeitfenster sind ausgebucht. Einzig zu Madame Tussauds bekommen wir unkompliziert Zugang – und da ist es schon sehr angenehm, dass nicht unendlich viele Menschen auf einmal hineindürfen! Hier treffe ich wieder auf Erinnerungen an vergangene Zeiten:
Im Museum wird sehr detailliert gezeigt, wie aufwändig die Erstellung einer solchen Wachsfigur ist, jedes Haar wird einzeln in den Kopf montiert! Irre!
Corona in Berlin
Die noch geltenden Corona-Regeln werden recht großzügig ausgelegt, so scheint es mir. Eine bunte Mischung aus Menschen mit und ohne Masken tummelt sich auf den Straßen und in den Geschäften. Ab und zu sieht man noch Hinweise, aus didaktischen Gründen gefällt mir dieser besonders (didaktisch interessant ist immer die Frage, wie man etwas Abstraktes begreifbar macht, also z.B. die Angabe 1,5m – das ist ja erstmal eine recht abstrakte Zahl):
Wie blicken wir wohl in 30 Jahren auf die Corona-Pandemie zurück? Wenn solche Aufkleber abgelaufen sind… Finden wir dann noch immer irgendwo weggeworfene Mund-Nasen-Masken? Wann wird etwas Geschichte?
Was ist Liebe?
Bilder sind für mich wichtige Erinnerungen an solche Zeiten. Deswegen habe ich auch eine kleine Sammlung „Impfwerbung“ angelegt. In Berlin konnte ich sie um ein weiteres Kleinod erweitern:
Ganz ehrlich, dieser Slogan ist mir etwas arg kurz gegriffen. Und ich sehe das ein bisschen anders. Aber jedem das Seine – es lebe die Meinungsfreiheit! Als Pendant dazu finde ich kurz danach folgendes:
Damit kann ich mich ebenfalls nicht einverstanden erklären, aber das macht ja auch nichts!
Mit philosophischen Betrachtungen, guten Gesprächen und fantastischem Essen klingen die Tage in Berlin aus. Danke, Umani! Es war großartig bei dir und in dieser Stadt!
Die Chancen stehen gut, dass ich im Mai wieder einen „richtigen“ 12-von-12-Artikel schreiben werde. Diesen habe ich aus den Eindrücken mehrerer Tage zusammengebastelt!
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